Rettet das Telefonbuch!

Das Telefonbuch von Köln 2021
Wird 140 Jahre alt: das Telefonbuch

Von Heinz Stüwe

Schon vor einigen Tagen stapelten sie sich vor und in meiner Postfiliale; kleiner sind sie bis heute kaum geworden – die Berge mit dem Kölner Telefonbuch. Der Doppelpack Telefonbuch plus „Gelbe Seiten“ stößt nur auf mäßiges Interesse. Wozu auch ein dickes Buch nach Hause schleppen, wenn ich jederzeit eine Rufnummer im Internet nachschauen kann?

Das Telefonbuch wird 140 Jahre

Albert Einstein soll, um seine Telefonnummer gebeten, im Telefonbuch nachgesehen haben. „Ich belaste mein Gedächtnis nie mit Dingen, die ich irgendwo nachschlagen kann.“ Heute würde Einstein wohl sein Smartphone zücken. Müssen wir uns mithin vom Telefonbuch verabschieden? Verschwindet damit nicht auch ein Kulturgut? Auf jeden Fall ein Stück Technikgeschichte. „TELEPHON-ANLAGE BERLIN, Verzeichnis der Sprechstellen, Nr. 1“ stand auf der Umschlagseite des ersten deutschen Telefonbuchs, das am 14. Juli 1881 erschien. Nach anderen Angaben trug es den Titel „Verzeichniss der bei der Fernsprecheinrichtung Betheiligten“. Wie auch immer. Jedenfalls war das Telefonbuch mit 187 Einträgen in der Millionenstadt Berlin noch überschaubar. Die Innovation setzte sich aber, von Generalpostmeister Heinrich von Stephan in staatlichem Monopol vorangetrieben, in rasantem Tempo durch. Im Jahr 1900 gab es in Berlin schon 130.000 private Telefonanschlüsse. Das Kommunikationszeitalter hatte begonnen.

Deshalb darf das Telefonbuch nicht sterben

Telefonbücher verschiedener Jahre140 Jahre alt wird das Telefonbuch also in wenigen Tagen. Ob es den 150. Geburtstag noch erlebt? Ich hoffe es. Noch ist im Telekommunikationsgesetz die Herausgabe eines gedruckten öffentlichen Teilnehmerverzeichnisses, das mindestens einmal jährlich aktualisiert werden muss, als Teil der unabdingbaren Grundversorgung (Universaldienst) festgeschrieben. Die Deutsche Telekom hat als marktbeherrschender Anbieter diese Verpflichtung und erfüllt sie in Zusammenarbeit mit Telefonbuchverlagen. Diese sparen, blickt man einige Jahrzehnte zurück, inzwischen einiges an Papier. War das Kölner Telefonbuch in den Achtzigerjahren, als der Eintrag für die Anschlussinhaber noch verpflichtend war, ein dicker Wälzer, kommt die neueste Ausgabe nur noch auf 640 Seiten, fast 150 weniger als noch 2014. Das sind aber immerhin nach überschlägiger Rechnung noch knapp 160. 000 Einträge.

Weshalb Telefonbücher heute so dünn sind

Jeder Anschlussinhaber kann heute selbst entscheiden, ob der eigene Name gedruckt oder elektronisch zugänglich sein soll. Längst verzichten nicht nur Prominente und Stars auf einen Eintrag, weil sie unerwünschten Werbeanrufen einen Riegel vorschieben wollen. Weniger Einträge gibt es aber auch deshalb, weil viele Haushalte gar keinen Festnetzanschluss mehr haben. Wer mobil telefoniert, ist eben nicht mehr wie zu Heinrich von Stephans Zeiten verkabelt – sprich: an ein Ortsnetz gebunden. Und schließlich: Wer über Skype oder WhatsApp telefoniert, dem hilft ein Telefonbuch nicht weiter.

Telefonbuch – das ist heute vor allem Nostalgie, genau wie das Telefonhäuschen, zu dessen Grundausstattung es gehörte. Die Zeiten, als das Telefonbuch die Haushalte, die Unternehmen, die Namen, die Berufe, die ganze Gesellschaft eines Ortes vollständig abbildete, liegen mehr als zwei Jahrzehnte zurück.

Sie werden wohl auch nicht wiederkommen. Nur die Alten und ganz Alten greifen noch zu diesem Nachschlagewerk , was sich in den Inseraten widerspiegelt. Von vier Anzeigen auf der Titelseite des neuen Kölner Telefonbuchs stammen zwei von Bestattungsunternehmen.

Weitere Informationen: wikipedia.org/wiki/Das_Telefonbuch

 

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