Lauterbach und die Spieße

Von Heinz Stüwe

Minister Lauterbach auf dem 45. Deutschen Krankenhaustag auf der Medica
Minister Lauterbach zur Krisenbewältigung der Krankenhäuser auf dem 45. Deutschen Krankenhaustag in Düsseldorf
Foto: Heinz Stüwe

Der Minister wurde mit kurzem freundlichen Beifall empfangen auf dem 45. Deutschen Krankenhaustag. Dass die in Düsseldorf versammelten Krankenhausmanagerinnen und –manager überhaupt beim Namen Prof. Dr. Karl Lauterbach geklatscht hatten, musste Beobachter bei jedem Satz, den Kongresspräsident Dr. Josef Düllings folgen ließ, mehr wundern. Er kritisierte, dass die Bürokratie im Krankenhaus weiter ausufere, dass die Praxis nicht ausreichend vom Gesetzgeber einbezogen werde. Hohe Inflation und nur mäßig steigende Einnahmen bedeuteten für die Kliniken „einen Doppel-Wumms nach unten“, hob Düllings hervor. „Die Krankenhäuser bekommen an keiner Stelle das Geld, das sie für die Versorgung der Patientinnen und Patienten brauchen.“ Eher pflichtschuldig streute Düllings mit Blick auf den Bundesgesundheitsminister ein „Wir sehen Sie schon an unserer Seite“ ein. Schließlich hatte Lauterbach den Krankenhäusern 8 Milliarden Euro Finanzhilfen in Aussicht gestellt, damit sie den Winter und die Energiepreisexplosion überleben.

Der Minister in Bestform

Den Wunsch des Auditoriums, der Minister möge doch sagen, wann und wie das Geld ausgezahlt werde, erfüllte Lauterbach nicht. Dennoch erlebten die Zuhörer den viel gescholtenen Minister in Bestform. Der SPD-Politiker folgte zunächst der Devise „bloß keine Konfrontation“. Lauterbach erzählte, wie er in den 1990er- Jahren, damals noch als Wissenschaftler tätig, Herrn Düllings kennengelernt habe. Ja, die Krankenhäuser seien unbestritten in großer Not. Der routinierte Redner kennt die Kniffe, um ein Publikum für sich einzunehmen. Den Einsatz aller Klinik-Beschäftigten in den zurückliegenden Corona-Jahren formulierte Lauterbach so, dass seine Zuhörer applaudieren mussten. „Die Krankenhäuser haben uns durch die Pandemie gebracht. Wir müssen die Krankenhäuser jetzt durch die Energiekrise bringen.“ Er erinnerte an sein vor Monaten gegebenes Versprechen, dass keine Klinik wegen hoher Energiekosten schließen müsse.

Eine große Reform für die Krankenhäuser

Minister Karl Lauterbach auf dem 45. Deutschen Krankenhaustag
Gesundheitsminister Lauterbach warb für seine Reform auf der Medica 2022.

Über die akute Krisenbewältigung hinaus sieht Lauterbach im Krankenhaussektor den Schwerpunkt der Reformen dieser Wahlperiode. In freier Rede legte er ausführlich dar, was kurzfristig kommen soll und welche Ziele er mit einer „großen Reform“ ansteuern will. Deutschland komme auf 50 Prozent mehr stationäre Leistungen als Nachbarländer. Die Ursache sieht Lauterbach im Fallpauschalensystem, das den starken ökonomischen Anreiz für die einzelne Klinik beinhalte, mehr Leistungen zu produzieren, um ihr Budget zu halten. Dieses Vergütungssystem umzukrempeln bedeutete tatsächlich den Beginn einer neuen Zeitrechnung für die Kliniken. „Wir wollen die Krankenhäuser herausführen aus dem Hamsterrad. Die Medizin soll wieder eine stärkere Rolle spielen.“

Für diese Feststellung hätte Lauterbach vor ärztlichem Publikum viel Beifall bekommen, bei den Krankenhaus-Geschäftsführern regten nur wenige Hände. Der Grund: Lauterbachs will zu mehr Spezialisierung in der stationären Versorgung kommen, um die Qualität der Behandlung zu verbessern. Krebspatienten beispielsweise sollen möglichst in zertifizierten onkologischen Zentren operiert und behandelt werden. Das wiederum stellt die Existenz vieler mittlerer und kleiner Krankenhäuser in Frage. So mancher Klinikmanager dürfte daher befürchten, dass sein Arbeitsplatz in Gefahr kommen könnte. Lauterbach kennt diese Sorge, die auch Bürgermeister um ihr Krankenhaus fürchten lässt. Er versuchte in Düsseldorf zu beruhigen: Die Kliniken, die vor Ort die Notfallversorgung sicherstellten, müssten von dieser Aufgabe auskömmlich leben können.

Gaß kritisiert, Lauterbach spottet

Für seine „große Reform“ hat Lauterbach ein listiges Vorgehen gewählt: In der ersten Phase bleiben die Interessengruppen, auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) als Spitzenverband der Krankenhausträger, außen vor. Eine Regierungskommission mit Wissenschaftlern aus Gesundheitsökonomie, Medizin und Rechtswissenschaft sowie Lauterbach selbst und Vertretern seines Ressorts erarbeitet Vorschläge. „Aber an Ihnen geht der Prozess nicht vorbei“, beruhigte der Minister die Zuhörer. Gespräche mit der Praxis, also den Klinikvertretern, seien der nächste Schritt. Danach soll eine Kommission aus Bundesländern, Bundestagsfraktionen und Ministerium beraten. „Erst dann machen wir ein Gesetz.“ Das Durcheinander, dass alle gleichzeitig an einem Gesetz arbeiteten, habe nämlich in der Vergangenheit nicht funktioniert, sagte der Bundesgesundheitsminister. Dabei hatte Lauterbach vor Jahren als Gutachter in diesem „Durcheinander“ eifrig mitgemischt.

Heute reagiert er allergisch, wenn die Verbandsvertreter in alte Reflexe zurückfallen. Wenn nun ganz schnell Hybrid-Fallpauschalen eingeführt werden sollen für ambulante Behandlungsfälle, die für niedergelassene Ärzte und Kliniken gleich sind, befürchtet DKG-Präsident Gerald Gaß eine einseitige Stärkung der Facharztpraxen. Lauterbach antwortete mit einem Bild, das bei früheren Debatten die niedergelassenen Kassenärzte gern bemüht hatten, um eine Benachteiligung gegenüber dem Krankenhaus zu illustrieren. „Wir müssen wegkommen von dem Gedanken: Sind das gleich lange Spieße? Das ist absolut tödlich.“ Es gehe um eine gute ambulante Versorgung, nicht darum, wer welche Spieße bekomme, spottete der Minister. Was half es Gaß, dass er anmerkte, er habe überhaupt nicht von Spießen gesprochen?. Seine Kritik an Lauterbachs großem Wurf wirkte nun kleinkariert.

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