Viel Luft nach oben gibt es bei der Auslandsmobilität von Studierenden und Azubis. Hingegen sind Auslandszeiten nach dem Abschluss eines Lebenabschnitts beliebt.
In Zeiten der Globalisierung sind Auslandserfahrung und Auslandsmobilität wichtig. Möglichkeiten für kürzere und längere Auslandszeiten gibt es unendlich viele. Work and Travel, Freiwilligenarbeit, Sprachkurse, Studium, Summer Schools, Auslandspraktika – das sind nur einige Beispiele. Trotzdem geht seit Jahren nur etwa jeder dritte Studierende im Studium ins Ausland. Trotz des steigenden Bedarfs an Mitarbeitern mit internationalen Kompetenzen stagniert der Anteil der Studierenden, die einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt absolvieren. Das stellt der Hochschul-Bildungs-Report 2020 des Stifterverbands für die deutsche Wirtschaft fest. Noch geringer ist das Interesse bei Azubis: Laut der Mobilitätsstudie des Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) waren es nur 5,3 Prozent, die während der Berufsausbildung einen Teil ihrer Ausbildung oder Praktika im Ausland realisierten. Hinzukommt, dass sich in der Ausbildungsphase die Auslandsmobilität zunehmend auf direkte Nachbarländer Deutschlands beschränkt.
Gründe für geringe Auslandsmobiltät
„Für die geringe Auslandsmobilität sehen wir verschiedene Gründe“, erklärt Jane Jordan von der INITIATIVE auslandszeit, die seit 2008 die Entwicklungen rund um die Themen Ausland und Bildung verfolgt. „In unseren Umfragen stellen wir immer wieder fest, dass junge Leute erst nach Beendigung eines bestimmten Lebensabschnitts und neuerdings vermehrt nachdem sie im Beruf fest angekommen sind, zu einer Auslandszeit aufbrechen.
Dann möchten durchaus viele entfernte Länder wie Australien, Neuseeland und Kanada bereisen. Leider gebe es aber für diese Lebensphase zu wenige Förderprogramme, bedauert Jane Jordan. Denn die meisten geläufigen Fördermaßnahmen wie Auslands-Bafög, Erasmus, Erasmus + kommen oft nur jungen Leuten während ihrer Berufsschul- oder Hochschulausbildung zu Gute. Das sei aber ein Zeitraum, in der die meisten sich darauf konzentrieren, ihren Berufs- oder Hochschulabschluss erfolgreich in der vorgesehen Regelzeit zu beenden. Das Interesse, den Horizont im Ausland zu erweitern, sei daher bei jungen Leuten während der Ausbildungsphase erheblich geringer als in der Zeit vorher oder nachher. Deshalb müsse man versuchen, strukturelle Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Zudem sollten Auslandszeiten auch von Unternehmen mehr wertgeschätzt werden als beispielsweise die Einhaltung der Regelstudienzeit, rät Jordan.
Auslandszeiten bei Abiturienten, Hochschulabsolventen und Berufstätigen aber gefragt
Deutliche Zuwächse bei dem Wunsch nach einer Auslandszeit gibt es direkt nach dem Abitur, bei Hochschulabsolventen und den bereits Berufstätigen. Das verdeutlichen die Befragungen der INITIATIVE auslandszeit.
Bei der letzten Umfrage 2018/19 (https://www.auslandsjob.de/work-and-travel-studie-2019), an der 3021 Personen teilnahmen, wollten 56 Prozent im Alter ab 17 direkt nach dem Abitur zu einer Auslandszeit. Die Zahl derjenigen, die nach dem Studium ins Ausland wollte, lag bei rund 30 Prozent. Ebenfalls signifikante Zuwächse gab es bei den Berufstätigen. Waren es in der Umfrage 2017 nur 13 Prozent Berufstätige, die eine Auszeit im Ausland machen wollten, gaben im Jahr 2018 über doppelt so viele Befragte an, sie wollen zum Sabbatical ins Ausland. Diesen Trend bestätigen auch die Zwischenergebnisse der kürzlich beendeten Umfrage „Freiwilligenarbeit 2019“. Hier sagte ein knappes Drittel der Befragten, dass sie Freiwilligenarbeit im Ausland während ihrer Berufstätigkeit leisten möchten.
Interviews über Auslandszeit nach einem Lebensabschnitt
Tischlergesellin Stella auf dem fünften Kontinent
Direkt nach ihrer erfolgreichen Gesellenprüfung zur Tischlerin brach Stella Meschede aus Lippstadt, damals 19 Jahre, nach Australien zum Work and Travel auf. Sie blieb ein Jahr im Ausland. Zuerst war ein wenig sportliche Entspannung beim Surfen angesagt. Danach reiste sie umher und suchte sich Jobs. So arbeite sie in einem Motel, in der Gastronomie, in einem Surf-Camp und auf einer Trauben- und Avocado-Farm. „Besonders spannend fand ich, dass ich in ganz anderen Bereichen als im Handwerk arbeiten konnte. Dabei hatte ich die einmalige Gelegenheit, ganz neue Erfahrung zu sammeln, sowohl in der Fremdsprache als auch im Alltagsleben“, sagt Stella.
„Prinzipiell kann ich jedem nur empfehlen, eine Auslandszeit zu machen“. Ihr habe sehr geholfen, bereits Berufserfahrung durch die Lehre zu haben. Vielleicht sei es aber ein Vorteil, etwas älter und ‚abgehärteter‘ zu sein, gibt die jetzt Zwanzigjährige zu. Denn ursprünglich war ein gemeinsamer Start nach Australien mit ihrer Berufsschulfreundin Sophie geplant. Doch leider hatte Sophie einen Berufsunfall und konnte erst zwei Monate später nach Australien aufbrechen. So traf man sich in Down Under, aber die Wege trennten sich nach einer gemeinsamen Rundreise. Freilich standen die beiden ständig im Kontakt. Zum Schluss trafen sie sich wieder an der Westküste. „Der beste Zeitpunkt für eine Auslandszeit ist gewiss nach der Berufsausbildung,“ empfiehlt Stella. Denn ohne Lern-Verpflichtungen sei es am besten, so einem großen Schritt zu wagen.
Der Ausbildungsbetrieb von Stella zeigte sich von Beginn an für die Auslandszeit sehr aufgeschlossen. Mehr: Zwei Handwerkerinnen nach Australien Daher konnte sie direkt nach ihrer Reise wieder beim Möbelhersteller Röhr-Bush in Rietberg-Mastholte ihrer Arbeit als Tischlerin nachgehen. „Aber ich glaube, dass jeder mit einer abgeschlossenen Ausbildung und einem Jahr im Ausland sehr schnell wieder eine neue Arbeitsstelle findet“, sagt Stella.
Auslandsmobilität: Zwei Master-Absolventen beim Work & Travel in Australien
Eike (25) und Toni (24) haben vor kurzem ihren Master in Kommunikationsmanagement absolviert. Sie sind im Oktober zum Work and Travel nach Australien aufgebrochen. Derzeit reisen sie an der Ostküste, von Cairns nach Melbourne. Im neuen Jahr geht es dann nach Neuseeland. Der gebürtige Westfale Eike aus Erwitte absolvierte den Master am Campus Lingen der Hochschule Osnabrück. Seine Freundin Toni kommt aus Würzburg. Sie schloss ihr Studium mit dem Master an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen ab. „Uns ging es vor allem darum, zwischen Studienabschluss und Berufseinstieg nochmals aus dem Alltag auszubrechen“, sagt Eike.
Schon bei der Planung der Reise stand für beide fest: Auslandserfahrung ist gerade in der Kommunikationsbranche und im Management sehr wertvoll. Direkt nach dem Abschluss, fanden die beiden, sei die ideale Zeit, um mal über den Tellerrand zu blicken: „Wenn wir das jetzt nicht machen, machen wir es nie!“, bekräftigen beide. Denn im Berufsleben habe man nur selten die Möglichkeit, für mehrere Monate privat zu verreisen. „Insbesondere dann nicht, wenn man zu zweit reist, da müssten schon beide ihren Job kündigen“, ergänzt Toni.
Befragt nach dem besten Zeitpunkt für eine Auslandszeit sind die beiden Reisenden offen. „Eigentlich ist es egal. Während des Studiums ein Urlaubssemester zu nehmen ist genauso gut wie nach dem Abschluss zu reisen. Das sollte jeder so machen, wie es für ihn am besten passt. Wir wollten erst unser Studium abschließen, um den Kopf komplett frei für die Reise zu haben.“
Auslandsmobilität bei Absolvenetn
Beide Absolventen bekräftigen, jede Auslandszeit sei im Lebenslauf ein Pluspunkt für die spätere Karriere. „Auslandserfahrung und verhandlungssicheres Englisch sind bei vielen Arbeitgebern ein Plus oder werden vorausgesetzt“, meint Eike. Aber aus seiner Sicht geht es bei einer Auslandszeit vor allem um die persönliche Weiterentwicklung, das Kennenlernen einer anderen Kultur und das Sammeln von Erfahrung. „Die möglichen Vorteile für die Karriere sind da eher nur ein Zusatz.“
Die beiden haben bereits einen Job in einer Kleinstadt im Bundesstaat Queensland gefunden. Um die Reisekasse zu schonen, machten sie in den ersten Wochen im nördlichen Queensland „Work for Accommodation“. Dort halfen sie den Vermietern auf ihrem Anwesen, Tiere zu füttern, Palmen zu schneiden und Gehwege im hauseigenen Waldstück anzulegen.
Zurück nach Deutschland soll es dann Ende Februar von Neuseeland aus gehen. „Allerdings haben wir Open-Return-Tickets, sodass wir unseren Rückflugtermin noch nach hinten verschieben können – was wir voraussichtlich auch tun werden“, sagt Toni.
Nach ihrer Auslandszeit möchten beide in der Unternehmenskommunikation oder in der Kommunikationsberatung in den Beruf einsteigen. „Auch für solche Fragen bietet eine Auslandszeit die ideale Möglichkeit, sich Gedanken zu machen,“ meint Eike.
Weitere Informationen: Auf Auslandsjob.de finden Interessierte Wissenswertes rund um das Jobben und Arbeiten im Ausland. Von der Planung und Durchführung von Auslandspraktika, Work and Travel bis hin zu konkreten Jobangeboten im Ausland: https://www.auslandsjob.de/jobben-im-ausland
Des Weiteren gibt es auf Sabbatjahr.org gibt alle Informationen zum Sabbatical bzw. Sabbatjahr im Ausland: https://www.sabbatjahr.org/sabbatjahr-ausland.php
Kontakt: Jane Jordan, INITIATIVE auslandszeit, Berliner Str. 36, 33378 Rheda-Wiedenbrück, Tel.: 05242 405434 2, E-Mail: jane@auslandszeit.de, https://www.initiative-auslandszeit.de
Über die INITIATIVE auslandszeit und Auslandsjob.de
Die INITIATIVE auslandszeit zählt zu den größten unabhängigen Informationsportal-Netz-werken zum Thema Auslandsaufenthalt im deutschsprachigen Internet. Sie wurde 2008 in Rheda-Wiedenbrück (Westfalen) gegründet und verfolgt die Entwicklungen rund um die Themen Ausland, Bildung, Fremdsprachen, Reisen und Tourismus. Insgesamt sind unter dem Dach der Initiative verschiedene Online‐Fachportale vereint, die monatlich von über 500.000 Besuchern genutzt werden.
Auslandsjob.de ist ein Fachportal für Auslandsaufenthalte mit dem Schwerpunkt „Work and Travel“. Es bietet Entscheidungshilfen und Links zu befristeten Jobs im Ausland. Es gibt Tipps zum Visum, zu Flügen, Kosten und zur Planung, auch eine interaktive Planungscheckliste für alle, die ihre Work & Travel-Zeit selbst organisieren.
Redaktion: Beatrix Polgar-Stüwe